Erzählkunst – Ein Findungsversuch

Seit über 20 Jahren bilde ich im Erzählen aus. Angefangen als Märchenerzählerin habe ich auch Literarisches für mich entdeckt und Gedichte und Lieder in mein Repertoire aufgenommen.

Erzählkunst heißt für heute möglichst frei werden vom vorgegebenen Text. Andererseits fühle ich mich auch dem Autor oder dem Kulturgut verpflichtet. Erzählkunst ist immer eine Interpretation: so sehe ich es, aus meiner Perspektive, mit meiner Lebenserfahrung, meiner Lebenseinstellung.

Hintergrundinformationen über den Autor oder die Kultur, die Zeit und die Beschäftigung mit Archetypen können meine künstlerische Interpretation vertiefen. Vor allem aber stelle ich mir immer wieder die eine Frage: WARUM? Warum erzähle ich die Geschichte? Warum ist das so und nicht anders? Warum verhält er/sie sich so?

Gibt es eine „universelle“ Botschaft? Viele Geschichten wurden über Generationen weiter getragen und erzählt. Johannes Merkel erlaubt uns mit „Hören, Sehen, Staunen – Kulturgeschichte des mündlichen Erzählens“ einen Einblick in die frühe Erzählkunst: „Geschichten mussten immer vollständig vom Anfang bis zum Ende erzählt werden. (…) Immer wieder behaupteten einheimische Erzähler, sie würden ihre Geschichten genauso erzählen, wie sie diese einst selbst gehört hätten. Daraus zogen manche Forscher den Schluss, die Erzähler würden sich an einen festen Wortlaut halten. (…) Es dürfte sich um ein bezeichnendes Missverständnis handeln. (…) Die Regeln, die eine getreue Wiedergabe zu sichern hatten, konnten in einer schriftlosen Kultur nur bedeuten, dass die Handlungsfolge nicht verändert werden durfte. Erzählungen, die über längere Zeiträume von Mund zu Ohr gehen, werden zwangsläufig mehr oder weniger zufälligen oder bewusst vorgenommenen Veränderungen unterliegen. Es gehört sozusagen zur Natur des Erzählens, dass jeder Erzähler sie sich auf seine Weise in den Mund legt, Passagen weglässt, die ihm nicht liegen, neue einfügt, die ihm geeigneter erscheinen.“

Ist das also die Erzählkunst? Jede Erzählerin, jeder Erzähler interpretiert die Geschichten auf ihre/seine Art. Die eine/n freier, die andere/n eher textbezogen.

Die Kunst geht noch weiter. Die Darstellung, Charakterisierung, Betonung, Rhythmus, Mimik, Gestik… all das trägt zu dem Gesamtbild bei, das beim Zuhörer einen Eindruck, einen Abdruck hinterlässt.

In der „Supervision für Erzähler/innen“ vom 19.-22. Mai 2016 im ZEB-Stephansstift Hannover machen wir uns gemeinsam auf die Suche wie dieser Eindruck, dieser Abdruck gezielt genutzt werden kann. Warum erzählst Du diese Geschichte? Welche Botschaft willst Du vermitteln? Noch gibt es freie Plätze. Mehr Infos hier: Supervision für Erzähler/innen